Deutscher Gewerkschaftsbund

Branche Baugewerbe

Struktur der Branche

Das Bauhauptgewerbe ist durch die Beteiligung von vielen Subunternehmen gekennzeichnet. Große Bauunternehmen fungieren als Hauptauftragsnehmer, haben in der Realität aber nur noch einen überschaubaren Stamm an eigenen Beschäftigten und wickeln den Großteil ihrer Aufträge durch die Untervergabe an Werkvertragsunternehmen ab. Häufig werden diese Werkverträge von den Unternehmen, dann weitervergeben, so entstehen in vielen Fällen lange Subunternehmerketten. Ein hoher Anteil der Arbeitskräfte in diesen Subunternehmerketten sind migrantische Beschäftigte. In der Beratungsarbeit hat Faire Mobilität (FM) dabei mit drei verschiedenen Gruppen zu tun: (1) Entsandte Beschäftigte ; (2) Mobile Beschäftigte, die oftmals mehrere Jahre lang eine Teilzeitanstellung haben, zusätzlich jedoch in hohem Umfang undokumentiert arbeiten; (3) Solo-Selbstständige, die in vielen Fällen scheinselbstständig beschäftigt sind. Die meisten Beratungssuchenden kommen aus den Ländern Polen und Rumänien, aber auch Serbien, Kroatien und Bulgarien.

Hauptprobleme

  1. Löhne: Mit der Neuregelung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes im vergangenen Jahr haben auch entsandte Beschäftigte Anspruch auf den allgemeinverbindlichen Tariflohn im Baugewerbe, sowie auf weitere tariflich vereinbarte Ansprüche (bspw. Erschwerniszulagen). In vielen Fällen bekommen die mobilen Beschäftigten weder den ihn zustehenden Tariflohn, noch die weiteren tariflich vereinbarten Ansprüche. Insbesondere Beschäftigte, die über Minijobs oder in Teilzeit beschäftigt sind, bekommen häufig einen Teil der geleisteten Arbeitszeit nicht entgolten. In anderen Fällen werden Löhne zurückgehalten mit dem Argument, das Unternehmen warte auf die Auszahlung durch den Auftraggeber.
  2. Urlaubsklau: Die Urlaubsansprüche im Bau werden über die Sozialkassen (SOKA-Bau) realisiert. Alle Betriebe entrichten dafür einen tariflich festgesetzten Prozentsatz der Bruttolohnsumme an die SOKA-Bau, diese wiederum erstattet die tarifvertraglich ausgezahlte Urlaubsvergütung an die jeweiligen Arbeitgeber. Mobile Beschäftigte erleben in vielen Fällen, dass Firmen angeblich umfassend bezahlten Urlaub an die SOKA-Bau melden und Erstattungen beantragen, ohne dass sie selbst Urlaub genommen haben.
  3. Undokumentierte Beschäftigung: Viele mobile Beschäftigte arbeiten schwarz für Briefkastenfirmen. Dies führt einerseits zu einer großen Abhängigkeit vom Arbeitgeber, bis hin zu einzelnen Fällen von Menschenhandel. Andererseits führt dies oft dazu, dass sie keinen ausreichenden Versicherungsschutz haben. In manchen Fällen erfahren sie erst nach ihrer Erkrankung, dass sie vom Arbeitgeber nicht krankenversichert wurden. In Fällen von Schwarzarbeit oder Scheinselbstständigkeit fehlt gar eine Unfallversicherung, obwohl insbesondere in der Baubranche das Unfallrisiko besonders hoch ist.
  4. Unterkünfte: Eng verbunden mit dem Problem der großen Abhängigkeit vom Arbeitgeber ist oftmals die Frage nach der Qualität der Unterkünfte. In vielen Fällen leben die mobilen Beschäftigten in miserablen Unterkünften zu überteuerten Preisen, in manchen Fällen direkt auf der Baustelle.

Aktivitäten

  • Die Baubranche ist eine der wichtigsten Bereiche in der Beratungsarbeit von FM. Im Jahr 2020 wurden Beschäftigte in über 900 Fällen im Bau beraten.
  • Vereinzelt führen Beratungsstellen bereits aufsuchende Beratung in Arbeiterunterkünften oder durch Baustellenbesuche gemeinsam mit der IG BAU durch. Diese Besuche sollen in Zukunft in Absprache mit IG BAU verstärkt und systematisiert werden, mit einem Fokus auf entsandte Beschäftigte. Dazu wurde in diesem Jahr der mehrsprachige Informationsflyer für entsandte Beschäftigte im Bau aktualisiert.
  • Verstärkt wird versucht, Beschäftigte über soziale Medien zu erreichen. Im August 2021 wurde beispielsweise eine Online-Veranstaltung mit einer Facebook-Gruppe rumänischer Kranführer durchgeführt.

Baustellen-Aktionswoche #RespektFuerEureArbeit

Wanderarbeiter

©Ricardo Gomez Angel

Auch wenn aktuell die Zahl der Baugenehmigungen im Wohnungsbau zurückgeht, so ist der Bauboom in Deutschland weiterhin ungebrochen. Während die Arbeitgeber sich vor Aufträgen nicht retten können, erhalten die Beschäftigten für ihre harte Arbeit nur selten faire Löhne, das heißt Tariflöhne. Bauarbeiter aus Deutschland ebenso wie aus Osteuropa verrichten qualifizierte Tätigkeiten, werden oftmals aber nur als Helfer bezahlt. Gleichzeitig haben die Arbeitgeber die Situation trotz des Fachkräftemangels weiter verschärft: Sie haben in diesem Jahr die Branchenmindestlöhne im Bauhauptgewerbe abgeschafft. Gemeinsam mit der Gewerkschaft IG BAU und mit anderen gewerkschaftsnahen Beratungsstellen führten wir zwischen dem 5. und dem 9. September bundesweit die Baustellenaktionswoche #RespektFuerEureArbeit durch, um den Beschäftigten aus Osteuropa unsere Unterstützung anzubieten. Als Beratungsstellen informierten und berieten wir die Kollegen über ihre Rechte bei der Arbeit auf deutschen Baustellen. Der Bauboom wird von der harten Arbeit der Beschäftigten getragen, von den deutschen Kollegen und den Kollegen aus dem Ausland gemeinsam. Dafür fordern sie zu Recht Respekt, faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen ein.

 

Carsten Burkhardt

© IG BAU (Alexander Paul Englert)

Interview mit Carsten Burckhardt zur Baustellenaktionswoche

In den letzten Jahren gab es in Baubranche einen regelrechten Boom. Trotz der aktuellen Herausforderungen wie hohen Rohstoffpreisen und Fachkräftemangel hält das Wachstum in der Baubranche weiter an. Was kommt davon bei den Beschäftigten an?

Dieser Boom ist bisher vor allem auf dem Rücken der Beschäftigten erwirtschaftet worden. Von daher kam für den Großteil unserer Kolleg*innen der Druck an, der durch Arbeitsverdichtung und immer kürzere Erholungsphasen entsteht. Gleichzeitig haben wir in den vergangenen Jahren ordentliche Verbesserungen hinbekommen: Die Einkommen sind gestiegen und wir konnten erstmals Wegezeitentschädigung vereinbaren. Wer also in einer Firma arbeitet, für die unsere Tarifverträge gelten, konnte durchaus profitieren. Allen anderen rate ich den Betrieb zu wechseln.

Osteuropäische Beschäftigte spielen im Baugewerbe eine wichtige Rolle. Wie hat sich der Bauboom auf deren Situation ausgewirkt?

Ohne die Kolleg*innen wären die Aufträge nicht zu bewältigen. Gerade erfahrene Kolonnen konnten so ihre Position gegenüber den Firmen verbessern. Einige verdienen inzwischen deutlich mehr als vorher. Doch wir sehen auch, dass viele Beschäftigte unmenschliche Arbeitszeiten haben und noch immer nur den Mindestlohn bekommen. Von daher wurde der Boom auch auf ihren Knochen ausgetragen, ohne dass sie davon wirklich profitiert hätten.

Andererseits suchen viele hier ansässige Firmen händeringend Personal und sind auch bereit unsere Tarifverträge zu bezahlen. Dabei spielt es keine Rolle, wo die Beschäftigten herkommen oder wohnen. Von daher ergibt sich auch für die Kolleg*innen aus Osteuropa die Möglichkeit, den Betrieb zu wechseln. Das kann dann mehr Einkommen und weitere Verbesserungen bedeuten.

In diesem Jahr haben die Arbeitgeberverbände den Branchenmindestlohn im Bauhauptgewerbe abgeschafft. Was ist der Grund dafür?

Ich kann nicht in die Köpfe der Arbeitgeber hineinschauen. Ich habe die Verhandlungen so erlebt, dass es einigen Arbeitgebern vor allem um Ideologie ging. Wiederum andere haben in den Boom Jahren einfach den Hals nicht voll bekommen und wollten sehen, wie sie ihre Gewinne noch weiter steigern können – auf dem Rücken der Beschäftigten!

Am Ende hatten wir einen Vorschlag des neutralen Schlichters, dem wir zähneknirschend zugestimmt haben. Die Arbeitgeber haben auch diesen Kompromiss mit Füßen getreten – ihre offizielle Begründung verstehe ich bis heute nicht. Aber eines ist deutlich geworden: Einige Akteure verfolgen keine Ziele für die Branche, sondern nur noch für sich selbst. Und das kann auf Dauer nicht gut gehen. Die Branche wird darunter leiden.

Viel ist beim Bau von Schwarzarbeit die Rede. Was genau ist das Problem, und warum ist die Branche so betroffen?

Organsierte Schwarzarbeit setzt all jene unter Druck, die sich an die Regeln halten: Die Firmen, die ihre Arbeiter*innen korrekt und fair behandeln und die Beschäftigten, die zu ordentlichen Löhnen arbeiten.

Die Verbrecher, die die Schwarzarbeit organisieren, nutzen oftmals die Not der Menschen aus. Der Bau ist gerade deshalb so davon betroffen, weil wir teils endlos lange Ketten von Subunternehmen haben, so dass kaum noch jemand nachvollziehen kann, wer eigentlich wen beauftragt und zu welchen Konditionen bezahlt hat. Richtig wären hier maximal zwei Glieder zuzulassen.

Was raten Sie den Kollegen aus Osteuropa?

Wenn möglich, wechselt zu einer Firma, die in Deutschland ihren Sitz hat, verbandsgebunden ist und die sich an unsere Tarifverträge hält. Und werdet in jedem Fall Mitglied unserer Bau-Gewerkschaft IG BAU.

Wie unterstützt IG BAU die Kollegen aus Osteuropa?

Wir unterstützen unsere Mitglieder durch Beratung und rechtliche Unterstützung. Nur wer weiß, was ihm zusteht, kann auch etwas einfordern. Wer nicht regelmäßig hier arbeitet, hat zudem die Möglichkeit eine Jahresmitgliedschaft abzuschließen.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit von IG BAU und Beratungsorganisationen?

Ich erlebe, dass wir dort wo wir vertrauensvoll zusammenarbeiten richtig gute Erfolge erzielen. Für die Beschäftigten und für die Bau-Branche insgesamt. Ich bin mir sicher, dass wir das in den nächsten Jahren noch weiter ausbauen werden und freue mich darauf.

Was sind Ihre Hauptforderungen an die Politik?

Die Anzahl der Sub-Unternehmer-Ketten muss deutlich begrenzt werden. Gleichzeitig muss die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls personell besser ausgestattet werden. Und wir benötigen ein Verbandsklagerecht, damit wir die Verbrecherfirmen direkt verklagen können – das schützt die betroffenen Kolleg*innen vor Vergeltungsmaßnahmen.

Informationen

Artikel von Faire Mobilität: Kein Bauboom ohne faire Arbeitsbedingungen

FM Artikel: Kein Bauboom ohne faire Arbeitsbedingungen (Sept. 2022) (PDF, 597 kB)

von Benjamin Luig, Branchenkoordinator Baugewerbe bei Faire Mobilität und EVW

Osteuropäische Beschäftigte sind aus der Bauwirtschaft nicht mehr wegzudenken, werden in vielen Fällen aber in Subunternehmen ausgebeutet. Gemeinsam mit der Gewerkschaft IG BAU und anderen gewerkschaftsnahen Beratungsorganisationen führt Faire Mobilität die Aktionswoche #RespektFuerEureArbeit durch, um mobile Beschäftigte auf dem Bau auf ihre Rechte hinzuweisen.

https://www.faire-mobilitaet.de/-/l4v

 

Pressemitteilung der IG BAU zu Baustellenaktionswoche

https://igbau.de/Baustellenaktionswoche.html

Branchenkoordination Baugewerbe

Luig Benjamin

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Branchenkoordination Baugewerbe

Benjamin Luig

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E-Mail benjamin.luig@emwu.org