Deutscher Gewerkschaftsbund

16.03.2018
Berlin

Bericht zur Konferenz | Mobility Package – On the move to equal working conditions in EU-transportation? - Auf dem Weg zu gleichen Arbeitsbedingungen im EU-Straßentransport?

Wir brauchen kontrollierbare Regeln – Irgendwie, irgendwo, irgendwann?

Regeln sind nichts wert, wenn sie nicht kontrolliert werden. Nicht heute und nicht in Zukunft - darin waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig auf der Konferenz „Mobility Package – Auf dem Weg zu gleichen Arbeitsbedingungen im EU-Straßentransport?“. Doch Einigkeit war nicht das Gebot des Tages: Angesichts vieler unterschiedlicher Interessen der Podiumsteilnehmerinnen und Teilnehmer entstanden heftige Diskussionen: Darüber, welche Probleme im Europäischen Straßentransport existieren und wie sie zu lösen sind.

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Fabian Schellhorn

Das von der EU-Kommission selbst aufgelegte Ziel, sozialere Regeln zu schaffen, dürfe nicht aus den Augen verloren werden, betonte in seiner Eröffnungsrede Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB. Er umriss, welche roten Linien auf keinen Fall überschritten werden dürften: Volle Anwendung der Entsenderichtlinie auch im Transport, schnelle Einführung des digitalen Tachographen, keine Ausweitung der Kabotageregelungen und alle Regeln müssten auch für Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen gelten!

EU-Kommission: Entsendung galt immer für Straßentransport!

Etwas überraschend stellte Frederik Rasmussen als Vertreter der EU-Kommission klar: „Die rechtliche Interpretation der Kommission war immer klar: Die Entsenderichtlinie gilt auch für den Straßentransport.“ Damit nicht genug, Rasmussen wurde mit Verweis auf die ROM 1 Verordnung gar noch deutlicher: Fahrer, die monatelang in einem anderen Land ihrer Arbeit nachgehen, hätten noch weitere Rechte: Die Mitgliedsstaaten müssten in solchen Fällen dem Arbeitgeber klar machen: „Hören Sie, dieser Mensch ist seit Monaten hier. Warum hat er immer noch einen rumänischen Arbeitsvertrag?“ Denn  laut ROM 1-Verordnung gilt, dass diese Beschäftigten einen belgischen oder niederländischen Arbeitsvertrag haben müssen, wenn sie dort dauerhaft arbeiten.

Ähnlich deutlich wurde Rasmussen auch beim Thema digitaler Tachograph: Der müsse so schnell es geht kommen. Der Vorschlag des Rats und des Parlaments, den Tachograph erst 2034 einzuführen, mache „keinen Sinn. Wir brauchen den Tachographen um die Regeln zu kontrollieren“.

EU-Vertragsverletzungsverfahren: Warum nicht mal Niederlande und Estland verklagen?

Da sich das zuständige Verkehrsministerium nicht in der Lage gesehen hatte, trotz mehrerer Einladungen eine Vertreterin oder einen Vertreter zur Teilnahme an der Diskussion zu schicken, konnte Rasmussen zunächst ungestört auf die Verantwortung der Mitgliedsstaaten bei der Durchsetzung und Kontrollen der Regeln verweisen. Es war dann Edwin Atema, Gewerkschafter aus den Niederlanden, überlassen darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Verantwortung nicht immer nur weiter geben dürfe. Vielmehr müsse sie die ausbleibenden Kontrollen einklagen: „Die Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und Frankreich wegen den Regelungen zum Mindestlohn gestartet“, so Atema und fragte provokant: „Die Kommission könnte genauso die Niederlande oder Estland oder egal wen sonst verklagen. Denn es ist richtig: Kein Staat kontrolliert, wie es die EU vorgibt!“ Kommissionsvertreter Rasmussen blieb nichts andere übrig, als zu bestätigen, dass diese Möglichkeit durchaus bestünde: „Das könnte ein nächster Schritt sein.“

Sozialdumping? Was ist das eigentlich?

Einigkeit bestand an diesem Tage auch darüber, dass bestimmte Geschäftskonzepte verboten gehören. Prof. Dr. Dirk Engelhard vom Arbeitgeberverband BGL sagte dazu entschlossen: „Wo wir ein Problem mit haben, sind unsaubere Geschäftskonzepte, die auf Lohn- und Sozialdumping aufbauen. Wenn Fahrer beispielsweise drei Monate campieren und 300 Euro im Monat verdienen.“ Kritisiert wurde die ungarische Spedition Waberer’s genau wegen solcher Dumpingstrategien. Deren Vertreter, Dávid Bobál, wehrte sich dagegen, dass seine Firma mit illegal operierenden Briefkastenfirmen vermischt werde: „Wir halten uns an alle Gesetze. Wir sind ein legal operierendes Unternehmen.“, wurde er nicht müde zu betonen.

Doch seine Versuche, sich neben der rechtlichen auch aus der ethischen Verantwortung zu ziehen, scheiterten. So hatte Bobál betonte, es gäbe keine eindeutige Definition von Sozialdumping. Prompt bekam er aus dem Publikum eine wissenschaftliche Antwort gegengehalten: Sozialdumping hieße, sich durch geschickte Auswahl niedrigerer Sozialabgaben und Steuern einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Der Vorwurf stand im Raum und auf die Frage nach dem angewandten Lohnmodell bei Waberer's, wich Bobál aus: Er dürfe dieses nicht preisgeben. Aus anderer Quelle war vielen Teilnehmenden der Konferenz jedoch bekannt, dass auch Waberer’s seinen Fahrern nur etwa 1400 Euro netto bezahlt. Davon sind zwei Drittel Spesen, nur ein Drittel wirklicher Lohn. Entsprechend gering sind die Sozialabgaben und Steuern auf den Gesamtbetrag. Sozialdumping also, wie es im Buche steht und wie es auch kürzlich in einer Studie der französischen Behörde CNR als branchenüblich beschrieben worden ist.

 

Konferenz Mobility Package Panel 2

Fabian Schellhorn

Ideen für durchsetzbare Regeln? Bitteschön!

Solche Geschäftskonzepte generell einzudämmen, das scheint auch das Ziel der Kommission zu sein. Dafür sprechen nicht zuletzt die Verhandlungsergebnisse zur Revision der Entsenderichtlinie. Verwunderlich bleiben die von der Kommission vorgeschlagenen Sonderregelungen für den Straßentransport, die im sogenannten Mobility Package verhandelt werden. Bei den Verhandlungen müssten Kompromisse erreicht werden, betonte Kommissionvertreter Rasmussen. Dabei war ihm wichtig zu betonen, dass niemals die Verkehrssicherheit aufs Spiel gesetzt werden dürfe.

Welche sozialen Gefahren das Mobility Packages beinhaltet, machte Europaparlamentariern Evelyn Regner deutlich: So soll die Entsenderichtlinie erst ab dem 4. Tag der Geschäftstätigkeit in einem Land gelten. Regner führte aus, dass die hoch technologisierte Branche sich daran schnellstens anpassen werde: „Dann werden die Fahrer quer durch Europa geschickt und fallen nie unter den Schutz der Entsenderichtlinie.“ Damit dämme man Sozialdumping nicht ein, man schaffe neue Grauzonen und legalisiere es de facto. „Wir können uns schon vorstellen, worauf ein Kompromiss bei der Tageregelung hinausläuft: Auf einen Kuhhandel wie bei der Entsenderichtlinie. Die gilt jetzt für 12 Monate plus 6 und keiner weiß, wie man es umsetzen soll.“ so Regner. Sie schlug daher vor, sich statt auf eine zeitliche Begrenzung eher auf die Orte der Be- und Entladung zu konzentrieren.

ETF, MdEP Ismail Ertug und DGB: Wer soziale Gesetzgebung zum Ziel setzt, muss sozial handeln!

Als am stärksten an Unternehmerinteressen orientiert, wird der Kommissionsvorschlag zu Lenk- und Ruhezeiten gesehen. Christina Tilling von der ETF erinnerte daran, dass die aktuelle Gesetzgebung eigentlich ausreichend sei, nur eben nicht durchgesetzt werde. Daher forderte sie das Gegenteil: „Hände weg von den Lenk- und Ruhezeiten!“

Der Europaabgeordnete Ismail Ertug stellte in der Abschlussdiskussion unmissverständlich klar, dass es ihm gleich sei, ob die Europawahlen nächstes Jahr anstünden: „Die Arbeit ist dann gemacht, wenn sie fertig ist. Und die Arbeit ist dann gemacht, wenn sie gut ist. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort für Mann und Frau ist dabei der Grundsatz.“

Annelie Buntenbach, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB, betonte in ihrem Abschlussstatement die Vorteile der neuen Entsenderichtlinie. Gleichzeitig warnte sie vor schlechten Kompromissen beim Mobility Package. Denn es könne nicht sein, dass auf ein Bauarbeiter aus Polen die Entsenderichtlinie angewandt würde, nicht aber auf den polnischen Kollegen, der die Baustoffe mit dem LKW zur Baustelle bringe. Dies führe zu einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ und dürfe nicht hingenommen werden“.

Buntenbach schloss die Konferenz mit dem Appell: „Wer sich den Euroskeptizismus und die Wahlergebnisse populistischer Parteien in den EU-Mitgliedsländern anschaut, wird begreifen, dass wir fairen und gute Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheit für die Beschäftigten brauchen, wenn die EU und die freien Demokratien der Mitgliedsstaaten eine Zukunft haben sollen!“

Das Programm und weitere Materialien zu den Themen der Konferenz stehen zum Download bereit:

 

 

 


 

On 9th of March 2018 the Executive Board of German Confederation of Trade Unions (DGB), Friedrich-Ebert-Stiftung, ver.di and “Faire Mobilität” were organising an international expert conference on the social aspects of the mobility package on road transport.

Object of the conference was to discuss working conditions of truck drivers in the EU and how to implement the principle of equal treatment.

Discussion participants were:
Annelie Buntenbach and Stefan Körzell (DGB Executive Board), Jörg Bergstermann (Friedrich-Ebert-Stiftung), Stefan Thyroke (ver.di), Frederik Rasmussen (European Commission, DG Mobility and Transport), Evelyn Regner (MEP, S&D, EMPL shadow rapporteur on Posting of drivers), Ismail Ertug (MEP, S&D, TRAN member), Paweł Trębicki (Transport and Logistics Poland), Prof. Dr. Dirk Engelhardt (BGL, German Haulage, Logistics and Waste Disposal Federation), Dávid Bobál (Waberer‘s).

The conference took part at the Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin.

 

The Programm and materials regarding the topics of the conference can be downloaded here:

 


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Das EU-geförderte Projekt "Fair European Labour Mobility" betreibt gewerkschaftsnahe Beratungszentren für entsandte Arbeitnehmer*innen in Polen, Slovenien, Rumänien, Ungarn und Österreich.

Neben der Beratung von Arbeitnehmenden, sind sie im engen Kontakt mit verschiedenen Akteuren in ihren Ländern und in den Empfängerländern, um Probleme zu lösen, sich über Gesetze und Vorschriften auszutauschen, Kontakte zu vermitteln, sich zu vernetzen und einen fairen, europäischen Arbeitsmarkt voran zu bringen.

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