Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr stehen mehr als 160 Kollegen von uns an der Raststätte in Gräfenhausen und haben die Arbeit niedergelegt, weil sie durch ihren Auftraggeber nicht bezahlt werden. Und das mittlerweile seit 9 Wochen. Kollegen, die u.a. im Auftrag von deutschen Unternehmen Güter der Grundversorgung und des allgemeinen Bedarfs transportieren. Dies sind zum Beispiel Lebensmittel im Auftrag von Dachser, Möbel im Auftrag von DHL Freight oder Werkstoffe im Auftrag von Hornbach und Toom. Ohne diese Fahrer würde unsere Versorgung deutlich eingeschränkt sein - das geht uns also alle an.
Die Verantwortlichen in der Logistik-Wirtschaft machen es sich wieder einmal leicht. In den Vergabeverträgen festzuschreiben, dass die Auftragnehmer sich an gesetzliche Regeln halten sollen, ohne diese gleichzeitig auch nachzuhalten, reicht nicht aus. Im Ergebnis haben wir in Bezug auf die Einkommens-, Lebens- und Arbeitsbedingungen der Fahrer*innen eine organisierte
Verantwortungslosigkeit, die sich seit Mitte der 2000er Jahre etabliert hat. Menschenrechtliche Standards wie das Recht auf angemessene Bezahlung, Zugang zu sauberem Wasser, auf angemessene Schlafplätze oder ein freier Zugang zu Sanitäranlagen werden permanent unterlaufen. Dies betrifft alle Lkw-Fahrer*innen, aber insbesondere Fahrer*innen aus osteuropäischen EU-Staaten und Drittstaatenaußerhalb der EU.
Besonders für Fahrer*innen aus Drittstaaten, deren Aufenthaltsrechte in der EU an ihre Arbeitsverträge gekoppelt sind, entstehen zusätzliche Abhängigkeiten zu ihren Arbeitgebern. In Gräfenhausen stehen genau diese Kollegen, die in besonderem Maße von Ausbeutung betroffen sind. Das kollektive Wegschauen der Kunden, der Fuhrunternehmen, das schamlose Ausnutzen und Brechen von EU-Regeln durch die Unternehmen sowie das hilflose Handeln der Unternehmensverbände muss endlich ein Ende haben. Ihr Arbeitgeber hat sie angezeigt, statt sie zu bezahlen. Sie werden mittlerweile von Beteiligten und Betroffenen aus der Lieferkette bedroht. Seit Mittwoch letzter Woche stehen sie unter permanentem Polizeischutz, da die Bedrohungslage gegen sie stetig zugenommen hat. Die ersten sind festen Willens, in den Hungerstreik zu treten, weil sie nicht mehr weiterwissen. Unsere Kollegen stehen weiter zusammen, aber die Stimmung ist sehr angespannt. Wir unterstützen sie als ver.di, als DGB und Faire Mobilität vor Ort und auch unsere internationalen gewerkschaftlichen Dachverbände wie die ETF und ITF leisten jede mögliche Hilfestellung. Zusätzlich engagieren sich viele andere Organisationen, Verbände und Vereine vor Ort. Doch das reicht nicht aus.
Die Situation ist unerträglich, unserer Gesellschaft im 21. Jahrhundert unwürdig und muss
jetzt beendet werden
Unternehmen, die Geld im Rahmen dieser Logistik-Kette Geld verdienen, müssen für die ausstehenden finanziellen Ansprüche aufkommen. Der Mazur-Gruppe muss die EU-Transportlizenz sofort entzogen werden. Die Auftraggeber müssen noch konsequenter die Arbeitsbedingungen der von ihnen beauftragten Fuhrunternehmen kontrollieren und Geschäftsbeziehungen beenden, wenn die Standards nicht eingehalten werden.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) muss im Fall Gräfenhausen tätig werden und alle beteiligten Unternehmen in die Verantwortung nehmen, damit unsere Kollegen das ihnen zustehende Geld auch endlich bekommen. Es zeigt sich genau an dieser dramatischen Situation, dass das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz nicht beachtet oder sogar missachtet wird. Es reicht nicht aus, als Auftraggeber zu bekunden, dass man zukünftig noch sorgsamer mit der Lieferkette umgehen will.
Das Problem ist jetzt da und muss jetzt gelöst werden.
Wir stehen solidarisch an der Seite der Fahrer von Gräfenhausen.
Die Teilnehmenden des ver.di Bundeskongresses