Deutscher Gewerkschaftsbund

27.09.2018
Faire Mobilität

3. Fachgespräch deutsche Fleischindustrie: Arbeitsbedingungen – Entlohnung – Werkverträge – in der Fleischindustrie

Hat im letzten Jahr eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie stattgefunden? Wo besteht weiterhin Handlungsbedarf, um die Arbeits- und Unterbringungsstandards der Beschäftigten zu erhöhen?

Fleischfachgespräch

Faire Mobilität

Am 27. September 2018 fand das dritte Fachgespräch zu Arbeitsbedingungen, Entlohnung und Werkverträgen in der Fleischindustrie statt. Auf Einladung von „Faire Mobilität“ und dem DGB Bundesvorstand waren 40 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung, Gewerkschaften und Betrieben in Berlin zusammengekommen. Folgende Expertinnen und Experten gaben auf dem Podium ihre Einschätzung zur Arbeitssituation in der Branche ab : Annelie Buntenbach (Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes), Michael Andritzky  (Geschäftsführer des Verbandes der Ernährungswirtschaft Niedersachsen – Bremen – Sachsen-Anhalt, VdEW), Dr. Phillip Steinberg (Abteilungsleiter, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), Jörn Böttcher (Unterabteilungsleiter, Bundesministerium für Arbeit und Soziales), Michaela Rosenberger (Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, NGG) und Justyna Oblacewicz (Referentin, Faire Mobilität). Dominique John (Projektleiter, Faire Mobilität) moderierte die Debatte.

Kein allgemeinverbindlicher Mindestlohntarif in der Fleischindustrie

Das Thema Branchenmindestlohn stellte einen der Schwerpunkte in den Debatten des Abends dar. Annelie Buntenbach (DGB) sprach bereits während der Eröffnung der Veranstaltung an, dass es in der Branche zurzeit keinen allgemeinverbindlichen Mindestlohntarifvertrag gebe.

In der anschließenden Diskussion ist deutlich geworden, dass sich alle Beteiligten eine starke Sozialpartnerschaft in der Fleischbranche wünschen und neue Mindestlohntarifverhandlungen begrüßen würden.

Wirken die bestehenden Mittel zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen?

Weiterhin wurde diskutiert, inwiefern die Selbstverpflichtungserklärung der Fleischbranche und das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft zu einer Verbesserung der Arbeitsverhältnisse geführt haben.

Laut Michael Andritzky (VdEW) ist die wirtschaftliche Situation der Fleischwirtschaft u.a. wegen schlechter Ertragslage, Insolvenzen, Rückgang des Exports sowie Havarien in der Geflügelwirtschaft nicht unproblematisch. Er wertet es als Erfolg, dass sich die Lohnsummen, vor allem im unteren Segment, im Jahr 2017 trotzdem um 12,3 % erhöht haben. Außerdem seien im Rahmen der Selbstverpflichtung über 15.000 Beschäftigungsverhältnisse auf deutsches Arbeits- und Sozialrecht umgestellt worden. 

Dr. Phillip Steinberg (BMWi) begrüßt diese Entwicklungen, sieht jedoch weiteren politischen Handlungsbedarf.

Justyna Oblacewicz (Faire Mobilität) bezeichnete die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie als nach wie vor nahezu unverändert. Das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft habe zwar eine disziplinierende Wirkung gegenüber den Arbeitgebern gezeigt, aber es komme weiterhin zu Verstößen und Gesetzesbrüchen. Der Ausbau der Stammbelegschaft finde nicht statt. Außerdem müssten neben den Arbeitsbedingungen dringend die Wohn- und Lebenssituation von Beschäftigten aus Ost- und Mitteleuropa verbessert werden.

Jörn Böttcher (BMAS) sieht die freiwillige Selbstverpflichtung als kritisch an und würde eine solide Sozialpartnerschaft bevorzugen.

Michaela Rosenberger (NGG) schloss sich dieser Einschätzung an: der Verhaltenskodex und die freiwillige Selbstverpflichtungserklärung zeigten nur teilweise Wirkung in der Fleischbranche. Große Teile der Fleischwirtschaft seien weit von ethischen Standards für Beschäftigte und Tiere entfernt. 

Wie kann die Situation der Beschäftigten in der Fleischindustrie wirksam verbessert werden?

Die Diskussion über konkrete Handlungsschritte wurde durch Erfahrungsberichte der anwesenden Betriebsrätinnen und Betriebsräte sowie der Beraterinnen und Beratern von Faire Mobilität bereichert. Sie schilderten, wie vorhandene Instrumente zum Schutz von Beschäftigten im Arbeitsalltag umgangen werden und wo Handlungsbedarf bestehe, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern.

Justyna Oblacewicz (Faire Mobilität) fand hierzu klare Worte: „Es muss ein angemessener Lohn für diese Arbeit gezahlt werden. Einer, der ein Leben außerhalb der Armut und Teilhabe am sozialen Leben ermöglicht statt zu isolieren.“ Zudem müssten die Generalunternehmen endlich Verantwortung für die Werkvertragsbeschäftigten übernehmen.

Annelie Buntenbach (DGB) schloss die Debatte mit der Forderung nach einem Verbandsklagerecht für Gewerkschaften: „Wir haben über das grundsätzliche Problem gesprochen, dass es selbst dort, wo der Missbrauch offensichtlich ist, in der Praxis kaum Klagen von Beschäftigten gibt. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Beschäftigten wissen nicht um ihre Rechte, sind erpressbar und sie fürchten um ihren Arbeitsplatz. […] Hier würde ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften zumindest eine wesentliche Unterstützung darstellen.“

 

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